Ich erzähle euch heute eine sehr persönliche Geschichte: über mein Nahtoderlebnis. Einfach weil gestern mich jemand in meinem Alter fragte: «Hey ich überlege, was ich noch alles erleben möchte, bis ich sterbe.» Und ich antwortete: Eigentlich ist die Frage: «Wenn ich jetzt sterbe, kann ich sagen: Okay, ich habe mein Leben gelebt?» Wenn ich diese Frage, ohne zu zögern mit Ja beantworte kann, dann lebe ich mein Leben.
Und nein damals habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Ich möchte euch mein Nahtoderfahrung mitgeben, um einen Teil von mir zu teilen, aber auch, weil sie mir die Angst vor dem Tod nahm.
Meine kleine Geschichte…
Es war vor knapp 20 Jahren. Ich war jung, Mitte 20. Ich war mit meinem damaligen Freund auf einer Segeltour auf einem Boot mit meinen Grosseltern und anderen Crew-Mitgliedern gewesen. Wir hatten an diesem Tag tolles Wetter gehabt und beschlossen, dass wir eine Nachtfahrt machen.
Wir haben Alkohol getrunken. Nicht viel, aber schon so, dass es merkbar war. Wir liefen in dem Hafen ein und wollten an eine Kaimauer festmachen. Meine Rolle war es, das Boot vorne festzumachen. Dabei springt man im Allgemeinen auf die Kaimauer und nimmt die Leine mit und bindet sie um einen Pfahl.
Mein Opa fuhr wie immer mit Ruhe ran. Also weder hektisch noch sonst irgendwas. Ich war aber wie immer in der Angst, dass ich es wieder nicht richtig mache und entsprechend nervös. In dem Moment, wo ich dachte, es passt, sprang ich von Board. Leider fiel mir erst während des Springens die abgerundete Kante auf.
Es passierte, was passieren musste: ich rutsche ab. Während ich ins Wasser fiel, rechnete ich mir meine Überlebenschance aus. Und es sah schlecht aus: Es war dunkel, noch früh im Jahr, also das Wasser eiskalt. Ich war zwischen Boot und Kaimauer, was bedeutet, dass wenn es niemand mitbekommen hat, dann wäre es recht wahrscheinlich, dass ich zwischen beiden eingequetscht werden würde. Ich dachte sogar, ich habe noch alle meine Klamotten an, die werden mich sicher runterziehen. All diese Gedanken verarbeitete ich in Sekundenschnelle und kam zu dem Schluss: Das überlebst du nicht.
Und mit diesem Endresultat traf ich durch die Wasseroberfläche. Und ich liess los und in diesem Augenblick spürte ich etwas merkwürdiges: Eine absolute Ruhe und inneren Frieden. Ich liess mich einfach fallen. Kein Kampf, nur der Gedanke: «Aha, so endet es also.» Ich spürte noch nicht mal, dass ich keine Luft bekam. Ich merkte nur, dass ich langsam nach unten sank und es war gut.
Doch plötzlich war ich an der Wasseroberfläche und wurde rausgezogen. Ich war völlig perplex. Man meinte zu mir: Hey du hast so gekämpft, dass wir dich rausziehen konnten.
Heutige Gedanken
Ich habe lange gebraucht, diese Aussage zu meinem Erlebten zusammenzubringen. Ich hatte lange an dieser Diskrepanz gearbeitet. Ich habe mir irgendwann gedacht, vielleicht habe ich es mir nur eingebildet, dass ich diese Ruhe und Frieden gespürt habe und drückte den Gedanken weg.
Vor kurzem habe ich das jemanden erzählt, der mir sagte: Das war ein Nahtoderlebnis.
Obwohl ich es damals nicht verstanden habe, hat es mein Leben verändert. Nicht bewusst, aber unbewusst. Rückblickend verstehe ich, warum ich bestimmte Dinge so gemacht habe, wie ich sie gemacht habe. Diese Ruhe und dieser innere Frieden, den ich gespürt habe, wollte ich auch in meinem Leben spüren. Es hat eine tiefe Sehnsucht geweckt. Warum sollte ich erst in meinem Tod spüren und nicht heute?
Nun, so viele Jahre später, kann ich manchmal beides, die Ruhe und diesen Frieden, in mir spüren und es ist ein genauso wunderbares Gefühl. Ich erlebe es genau dann, wenn ich im Hier und Jetzt bin, den Moment voll auskosten und geniessen kann. Wenn ich keinen Gedanken an die Vergangenheit oder Zukunft verschwende, sondern einfach den Moment mit all meinen Sinnen aufsaugen kann.
Ich finde es einfach spannend, wie Geist und Körper so unterschiedlich empfinden können. Dass der Tod nichts Bedrohliches ist, sondern ein Teil von uns, und sich bei mir durch eine Wahnsinns Ruhe und Frieden dargestellt hat.
Referenzen
- Raymond A. Moody (2001) Leben nach dem Tod, Die Erforschung einer unerklärlichen Erfahrung, Rowohlt Taschenb.,
- Olivia Rollin (2021) Nahtoderfahrungen, Ist der Tod das Beste, was uns passieren kann?, Letzter Zugriff, November 2023
Bildnachweis
- Freiheit. Mensch und Natur von Dmytro Buianskyi, iStock. com/Dmytro Buianskyi