Eigentlich wollte ich einen Artikel über Ikigai schreiben und darüber, wie es dir und deinem Team helfen kann, den Sinn zu finden. Doch während meiner Recherche wurde mir etwas viel Tieferes bewusst: die immense Kraft des Glaubens und wie stark sie uns und damit auch andere beeinflusst.

Diese Erkenntnis führte mich auf eine spannende und erkenntnisreiche Reise, die mir zeigte, wie sehr unsere Überzeugungen unser Handeln leiten – und wie gefährlich sie sowohl für uns selbst als auch für die Überzeugungskraft in Teams sein können, wenn wir sie nicht hinterfragen.

Mit Achtsamkeit und dem Mut, aus der Komfortzone zu treten, entschied ich mich, den ursprünglichen Artikel zu verwerfen und stattdessen diesen hier zu schreiben.

In diesem Artikel erfährst du, wie unser Glaube unsere Überzeugungen formt, wie dieser Prozess dich beeinflusst und warum es so wichtig ist, diese Überzeugungen regelmäßig zu hinterfragen – und wie du dabei vorgehen kannst.

Was ist passiert

Ich hatte vom Ikigai-Modell gehört und war begeistert, wie es meine Überzeugung stärkte, dass wir einen Sinn im Leben brauchen, um glücklich zu sein. Nach stundenlangem Recherchieren und Ausprobieren schrieb ich einen Artikel darüber, zufrieden mit meiner Arbeit.

Doch dann stiess ich auf einen kurzen Beitrag, der mein Verständnis von Ikigai auf den Kopf stellte: «Ikigai ist japanisch und bedeutet in etwa das, was dein Leben lebenswert macht. Das Modell hingegen ist das Purpose Venn Diagramm und hat wenig mit Ikigai zu tun.»

Diese Information erschütterte mich. Zuerst war ich wütend, dann verunsichert. Ich versuchte, meinen Artikel zu retten, doch mit jedem Änderungsvorschlag spürte ich, wie meine Überzeugungskraft schwand. Schliesslich entschloss ich mich, den Artikel offline zu nehmen und mich dem Missverständnis zu stellen.

Durch dieses Loslassen konnte ich wieder klarer sehen und mich eingehender mit dem Missverständnis zwischen Ikigai und dem Ikigai-Modell auseinandersetzen. Denn Ikigai ist in Japan ein tief verankertes Konzept, eine Art Mindset. Das Purpose-Venn-Diagramm hingegen ist eine Momentaufnahme, die von Marc Winn erstellt wurde, indem er das ursprüngliche Venn Diagram of Purpose von Andreas Zuzunaga nahm und das Wort „Ikigai“ in die Mitte setzte.

Und das zeigte mir, dass Ikigai unglaublich wertvoll, aber viel komplexer ist, als ich anfangs dachte. Es unterstützt nicht meinen bisherigen Glauben, dass wir unbedingt einen Sinn brauchen, um glücklich zu sein – sondern lädt dazu ein, Glück in dem zu finden, was das Leben lebenswert macht.

Vielleicht hast du auch Überzeugungen, die du noch nie wirklich hinterfragt hast. Wie würden deine Entscheidungen aussehen, wenn du diese Überzeugungen auf den Prüfstand stellen würdest? Und wie gehst du mit den Zweifeln um, die dabei entstehen könnten?

Was habe ich daraus persönlich gelernt?

Aus dieser kleinen Episode habe ich Folgendes über Glauben, Überzeugung und Veränderung gelernt:

  • Der Bestätigungsfehler – Wie unsere Wahrnehmung eingeschränkt wird:
    Ich habe erkannt, wie stark der Bestätigungsfehler unsere Wahrnehmung beeinflusst. Dieses Phänomen führt dazu, dass wir unbewusst nur nach Informationen suchen, die unser bestehendes Weltbild unterstützen, während wir jene ignorieren oder übersehen, die ihm widersprechen könnten. In meinem Fall wählte ich den Suchbegriff „Ikigai-Modell“ und schränkte die Ergebnisse auf Quellen ein, die meine Überzeugung bestätigten – ohne es bewusst zu merken.

  • Verbreitung von Missverständnissen – Wie leicht sich falsche Überzeugungen festigen: Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie schnell sich Missverständnisse verbreiten können, wenn viele Menschen daran glauben, selbst wenn sie auf falschen Annahmen basieren. Je mehr Menschen eine Überzeugung teilen, desto schwieriger wird es, sie zu korrigieren, weil sie tief in unserem kollektiven Bewusstsein verankert wird.

  • Überzeugungskraft verlieren – Was passiert, wenn wir unsere Glaubenssätze hinterfragen:
    Ich habe auch gelernt, dass das Hinterfragen meiner Überzeugungen meine emotionale Stärke und mein Charisma schwächen kann, weil ich nicht mehr voll dahinterstehe. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass ich an Überzeugungskraft verliere, was sich unmittelbar auf mein Handeln und meine Ausstrahlung auswirkt. Doch dieser Prozess ist notwendig, um zu wachsen.

  • Kognitive Dissonanz und emotionale Phasen – Der innere Kampf bei Widersprüchen:
    Das Gefühlschaos, das ich erlebte, ist ein klassisches Beispiel für kognitive Dissonanz – das unangenehme Gefühl, das entsteht, wenn wir auf Informationen stoßen, die unseren tief verwurzelten Überzeugungen widersprechen. Diese Dissonanz löste eine Reihe von emotionalen Phasen aus, die ich durchlief: von Schock und Ablehnung über rationale Einsicht bis hin zu Akzeptanz und Integration. Diese Phasen, beschrieben nach Richard K. Streich, sind typisch für Veränderungsprozesse.

Wie beeinflussen Überzeugungen dich und die Teamdynamik?

Unsere Überzeugungen formen nicht nur unser Verhalten, sondern auch die Dynamik in einem Team. Solange du von einer Idee und von dir selbst überzeugt bist, kannst du andere inspirieren und mitreissen. Doch sobald Zweifel aufkommen, sinkt diese Überzeugungskraft spürbar. Dein Team merkt es sofort, wenn du unsicher bist. Stimme, Gestik, Mimik und Wortwahl können unsere Überzeugungskraft stärken – aber nur, wenn sie mit dem Inhalt übereinstimmen. Gehen sie auseinander, wirken wir nicht mehr authentisch, und das spüren andere.

Du kannst deine eigene Unsicherheit oft daran erkennen, wie dein Team reagiert: Es spiegelt deine Zweifel wider, indem es selbst unsicher wirkt oder vieles in Frage stellt. Verschlossene Körperhaltungen, verschränkte Arme, zurückgelehnte Positionen oder sogar Konflikte zwischen Kolleg:innen können Anzeichen dafür sein, dass sie spüren, dass du nicht voll überzeugt bist. In solchen Momenten könnte das Team den Eindruck gewinnen, dass du sie erst noch überzeugen musst.

Das kann den gesamten Fortschritt behindern. Deshalb ist es wichtig, Überzeugungen regelmäßig zu prüfen, auch wenn das bedeutet, dass man zeitweise an Kraft verliert. Denn nur durch diese Reflexion kann man stärkere, tiefere Überzeugungen finden, die das Team wirklich voranbringen.

Das Gleiche gilt, wenn ihr als Team von etwas überzeugt seid – oder eben nicht. Als Gruppe könnt ihr euch gegenseitig in euren Überzeugungen und in euren Zweifeln unterstützen, was von anderen Gruppen, Abteilungen, Kunden und Partnern deutlich wahrgenommen wird.

Wie sieht es bei dir und deinem Team aus? Gibt es Überzeugungen, die ihr schon lange nicht mehr hinterfragt habt? Was würde passieren, wenn ihr diese Überzeugungen heute auf den Prüfstand stellt?

Wie du Zweifel in Stärke wandeln kannst

Zweifel sind keine Schwäche, sondern eine Einladung, noch einmal genauer hinzusehen und sicherzustellen, dass das, woran wir glauben, wirklich unseren tiefsten Werten entspricht. Indem wir uns unseren Zweifeln stellen, öffnen wir uns für Wachstum und neue Erkenntnisse. Deshalb sollten wir, auch wenn wir von etwas völlig überzeugt sind, den Mut haben, es in Frage zu stellen.

Dieser Prozess kann in mehreren Schritten erfolgen:

Vom Zweifel zur Stärke
  • 1

    Dein aktueller Glaube oder Überzeugung im Gleichgewicht:
    Beginne damit, deinen aktuellen Glauben oder deine Überzeugung zu erkennen. Sie ist der Ausgangspunkt für deinen Reflexionsprozess.

  • 2

    Stelle sie in Frage oder sie wird in Frage gestellt:
    Ob durch äussere Umstände oder innere Reflexion, der Moment kommt, in dem deine Überzeugung infrage gestellt wird. Hier beginnen die Zweifel.

  • 3

    Emotionen prüfen: Kommen Wut, Ablehnung, Unsicherheit hoch?
    Achte auf deine Emotionen. Spürst du Wut, Ablehnung oder Unsicherheit? Diese Gefühle sind Hinweise darauf, wie sehr du an deiner Überzeugung festhältst und können dir wertvolle Einsichten geben.

  • 4

    Entspanne dich erstmal. Wie wäre es mit der 4-7-8-Atemtechnik?
    Bevor du weitermachst, nimm dir Zeit, um dich zu entspannen. Die 4-7-8-Atemtechnik kann dir helfen, deine Gedanken zu klären und ruhig zu bleiben.

  • 5

    Sei dankbar und stolz auf dich, denn du hast die alte Überzeugung hart erarbeitet:
    Stell dir vor, du stehst auf einem Berggipfel und blickst zurück auf den Weg, den du bereits gemeistert hast – voller Herausforderungen und Unsicherheiten. Genau wie damals hast du auch heute die Kraft, den nächsten Schritt zu wagen. Jeder Gipfel, den du erreichst, ist eine Gelegenheit, innezuhalten und zu reflektieren, bevor du dich auf den Weg zu neuen Höhen machst.

  • 6

    Lasse los und gehe mit frischem Blick auf neue Perspektiven ein:
    Wenn du bereit bist, lass alte Überzeugungen los, die dir nicht mehr dienen. Öffne dich für neue Perspektiven und Möglichkeiten.

  • 7

    Integriere deine neuen Erkenntnisse mit deinem bisherigen Wissen und Erfahrungen:
    Durch das bewusste Hinterfragen unserer Überzeugungen können wir neue Argumente zulassen und auf ihre Tauglichkeit überprüfen. Selbst wenn wir am Ende zu unserer ursprünglichen Sichtweise zurückkehren, haben wir starke, fundierte Argumente für mögliche Gegenstimmen und können sachlich und überzeugend argumentieren. Oder wir entdecken sogar eine neue Perspektive, die uns noch stärker macht und es uns ermöglicht, unsere Position klarer und überzeugender zu vertreten.

Das Schöne daran ist, dass unser aktuelles Wissen immer in Bewegung ist. Es ist kein absoluter Zustand, sondern ein fortlaufender Prozess, basierend auf unseren bisherigen Erfahrungen und unserem Wissen. Doch schon im nächsten Augenblick kann uns jemand oder etwas unsere Sichtweise infrage stellen – sei es durch eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, eine historische, technische Entwicklung oder eine innovative Idee. Die Welt steht nie still, und so können auch wir unsere Überzeugungen immer wieder aktualisieren.

Fazit

Glaube und Überzeugungen sind mächtige Kräfte, die unser Handeln und unser Leben lenken. Doch manchmal müssen wir den Mut aufbringen, diese Überzeugungen zu hinterfragen – selbst wenn es uns verunsichert. Das gibt uns die Möglichkeit, unsere Komfortzone zu erweitern und neue, kraftvollere Überzeugungen zu entwickeln, die uns und unser Umfeld positiv beeinflussen.

Vielleicht liegt genau darin das wahre Ikigai: Sich selbst immer wieder achtsam gegenüber zu sein, zu erkennen, was uns wirklich glücklich macht – und mit dieser Erkenntnis andere zu inspirieren.

Wie wäre es, wenn du jetzt einen Moment innehalten würdest, um deine eigenen Überzeugungen zu hinterfragen? Was glaubst du wirklich über dein Leben, deine Arbeit, deine Beziehungen? Und wie stark sind diese Überzeugungen, wenn du sie ehrlich auf den Prüfstand stellst? Wage es, deinen Zweifeln zu begegnen – du könntest überrascht sein, welche neuen, kraftvollen Überzeugungen daraus entstehen.

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