Was passiert, wenn man sein eigenes Tun in Frage stellt? Finden unsere Gedanken dann Flügel, oder landen wir auf dem Boden der Tatsachen? Vielleicht sogar beides. Diese Frage beschäftigt mich schon eine Weile, und heute hat ein Artikel, den ich gelesen habe, meine Überlegungen mit einem Ausrufezeichen versehen.

In diesem Artikel teile ich meine eigene Reise der Selbsterkenntnis und reflektiere über meine Arbeit als Coach. Welche Erkenntnisse habe ich gewonnen, und was bedeutet das für mich? Diese Auseinandersetzung hat mich dazu inspiriert, eine Interview-Reihe über Glaubenssätze zu starten. Ich möchte andere Menschen zu Wort kommen lassen und herausfinden, wie sie ihre Überzeugungen hinterfragen und verändern.

Die Reise der Selbstreflexion

Schon lange frage ich mich, warum ich Coach werden wollte. Anfangs dachte ich, es ginge mir darum, anderen zu helfen, sie zu stärken und ihnen mehr Kraft und Erfüllung zu schenken. Heute weiss ich, dass dieser Wunsch vielleicht weniger selbstlos war, als ich damals dachte. Es steckte wohl auch der Glaube dahinter, dass ich wüsste, wie man sich fühlen sollte – also ein Egoistisches: „Ich weiss es besser und zeige es dir.“

Mit der Zeit habe ich erkannt, dass ich nicht nur meinen Klient:innen half, sondern vielleicht sogar vor allem mir selbst. Jede Begegnung, jedes Gespräch war auch eine Gelegenheit, meine eigenen Überzeugungen zu hinterfragen. Immer deutlicher wurde mir, dass ich Menschen anzog, die ähnliche Glaubenssätze hatten wie ich. Und sobald ich diese Glaubenssätze losliess, begegnete ich neuen Menschen mit neuen Überzeugungen. Diese Erkenntnis hat mein Verständnis von Hilfe und Selbsthilfe tiefgreifend verändert.

Wem helfe ich nun wirklich?

Diese Erkenntnis führte mich zu einer entscheidenden Frage: Wem helfe ich eigentlich? Mir, den Menschen, die ich coache – oder uns beiden? Früher hatte ich die arrogante Vorstellung, ich könnte jedem helfen. Doch mit der Zeit wurde mir klar: Ich kann nur denen wirklich helfen, die ähnliche Glaubenssätze wie ich haben. Diese Überzeugungen basieren auf unseren persönlichen Erfahrungen. Wenn ich diese Erfahrungen nicht geteilt habe, kann ich nicht vollständig nachvollziehen, was der andere Mensch fühlt. Es fehlt mir an tiefem Verständnis und damit an echter Empathie.

Meine Grenzen der Empathie

Beispielsweise kann ich nicht verstehen, wie es ist, Opfer von sexuellem Missbrauch zu sein, weil ich diese Erfahrung nicht gemacht habe. Ebenso wenig kann ich nachempfinden, was es bedeutet, rassistisch oder aufgrund der Sexualität diskriminiert zu werden. Selbst bei Themen, die näher an mir dran sind, wie Legasthenie, die meine jüngere Schwester betrifft, oder Demenz, die meine Grossmutter erlebt hat, bleibt mir das tiefe Verständnis verschlossen. Ich weiß, wie es ist, als Schwester oder Enkelin damit umzugehen, aber nicht, wie es ist, es selbst zu erleben.

Alles, was ich nicht selbst erlebt habe, kann ich nur aus meiner eigenen Perspektive heraus verstehen. Damit bleibt es eine Vorstellung – oft weit entfernt von der Realität. Früher war ich vielleicht arrogant genug zu glauben, ich könnte es verstehen. Doch heute weiss ich, dass meine Empathie hier ihre Grenzen hat.

Einzigartigkeit, Menschlichkeit, Verbundenheit

Aber gerade diese einzigartigen Geschichten, Erfahrungen und Entscheidungen, die wir alle machen, sind es, die uns zu dem machen, was wir sind. Kein Mensch gleicht dem anderen, und keiner kann den anderen vollständig verstehen.

Diese Einsicht führt mich zu einer neuen Bedeutung von Menschlichkeit. Wir alle sehen die Welt durch unsere eigenen Vorstellungen, was oft zu Erwartungen und damit zu Missverständnissen und Konflikten führt. Doch wenn wir erkennen, dass jeder Mensch einzigartig ist, können wir anfangen, uns gegenseitig als das zu sehen, was wir wirklich sind: Menschen. Dann begegnen wir einander auf Augenhöhe – mit Respekt und Toleranz.

Vielleicht ist diese Begegnung der Schlüssel zur wahren Verbundenheit. Oft erzeugen unsere eigenen Erwartungen und Glaubenssätze ein Machtverhältnis, eine Art Abhängigkeit oder Kontrolle, die uns vielleicht echte Verbundenheit verwehren. Die Antwort darauf kenne ich noch nicht, aber ich werde mich auf diese Reise begeben, um es herauszufinden und hoffentlich zu erfahren, wie wahre Verbundenheit sich anfühlt.

Die 3 Werte von KAMPINADA

Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich vor fünf Jahren für KAMPINADA die Werte Individualität, Menschlichkeit und Verbundenheit festgelegt habe. Damals verstand ich diese Begriffe nur oberflächlich, weil ich noch auf der Suche nach meiner eigenen Identität war. Doch heute begreife ich sie auf einer tieferen Ebene und bin gespannt, wie sich mein Verständnis in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln wird.

Einladung zur Reflexion: Was sind deine Glaubenssätze?

Neue Erkenntnisse können uns anfangs Angst machen und uns an uns selbst zweifeln lassen. Doch wenn wir sie annehmen, öffnen sie uns die Augen für neue Perspektiven und führen zu mehr Toleranz – sowohl uns selbst als auch anderen gegenüber.

Und was bedeutet das jetzt für mich als Coach? Ich weiss es nicht. Ich weiss, dass ich mit dieser Einsicht, Menschen und mir selbst effizient helfen kann. Aber ich glaube auch, dass da noch etwas anderes auf mich wartet. Was es ist, weiss ich noch nicht. Aber ich werde es herausfinden. Da bin ich mir sicher.

Vielleicht habe ich deshalb letzte Woche schon inspirierende Menschen angefragt. Ich starte mit ihnen und ihren Geschichten eine Interview-Reihe, in der ich sie zu ihren Glaubenssätzen befrage: Mit welchen Überzeugungen wurden sie konfrontiert, wie haben sie diese beeinflusst, und welche eigenen Glaubenssätze mussten sie überwinden?

Mein Ziel ist es, uns alle dazu anzuregen, über unsere eigenen Überzeugungen nachzudenken und zu erkennen, dass wir sie verändern können. Denn Glaubenssätze sind genau das – ein Glaube, der nicht immer mit der Realität übereinstimmt. Gleichzeitig möchte ich, dass wir toleranter gegenüber anderen werden, denn hinter den Menschen, die wir sehen, verbergen sich oft spannende und einzigartige Geschichten.

Dein Interview

Mitmachen und inspirieren: Deine Geschichte zählt

Fühlst du dich angesprochen? Glaubst du, dass deine Lebensgeschichte andere Menschen zu mehr Toleranz inspirieren kann? Dann melde dich bei mir. Gemeinsam können wir dazu beitragen, mehr Toleranz, Menschlichkeit und Verbundenheit in die Welt zu tragen.

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Referenzen

  • Theres Pleitner
    Ich erwähnte in der Einleitung den Artikel „Über die Widersprüche des Helfens“ von Theresa Pleitner. Der meinen Gedanken auf den Punkt beziehungsweise Abschluss brachte und mich zu diesem Blog inspiriert hat. Ich kann ich daher nur empfehlen. Finden kannst du ihn in der Zeitschrift Psychologie Heute im heft von Oktober 2023.

    Ihr Buch „Über den Fluss“ habe ich bereits bestellt und werde sicher darüber berichten.